Keiner der vier Punkte trifft auf dich zu? Dann wirst du es lieben. Die Ruhe, die Beschleunigung, die moderne Technik, der Pioniergeist, die Community. Für meinen Polestar 2 stehe ich gern mal ein bisschen an der Ladesäule. Manchmal lege ich mir sogar Arbeitstasks für die ich nur Laptop ohne Extramonitor brauche so, dass ich sie an der Ladesäule im Auto sitzend machen kann. Nach rund 3.000 km und auch nach etwas längeren Fahrten mit Kind will ich nie wieder etwas anderes als ein BEV fahren und freue mich schon auf die Weiterentwicklungen in den nächsten Jahren. Was kommt wohl nach dem Polestar 2? 🤔
Oha! Ein E-Auto als Firmenwagen?
Ich steige ein. Die bequemen Sitze. Der großzügige Überblick. Ich stelle mir noch einmal den Sitz richtig ein, starte das Infotainment-System. Dann drehe ich den Schlüssel und … oh mein Gott! Dieser Lärm!!!!11elf! Der SUV meiner Frau muss kaputt sein! Wie laut ist dieser Motor denn bitte? Ich hab das Gefühl, die Zylinderkopfdichtung platzt, der Auspuff fällt ab und der Keilriemen reißt.
E-Auto? Schnell daran gewöhnt!
Aber nein! Der Hyundai ist vollkommen in Ordnung. Allerdings haben zwei Monate mit einem E-Auto einfach mein Gefühl von Autofahren komplett verändert. Seit dem 4. Februar fahre ich einen Polestar 2. Und mein Fahrerlebnis ist einfach ein komplett anderes als noch in der Diesel-Welt. Ich genieße das kaum hörbare Surren statt der Motorengeräusche, liebe das exakte (und wahnwitzige) Beschleunigen und vermisse in keiner Sekunde das Blubern eines Sportauspuffs.
Dieses neue Fahrgefühl bezahle ich jedoch mit neuen Sorgen: Reicht die Batterieladung noch für meine Strecken morgen? Ist die Ladesäule frei? Und kann ich mit der Karre einfach so in die Waschstraße?
Erst mal Umdenken mit dem Elektroauto als Firmenwagen
Zum letzten Punkt: Dank der Polestar-Telegramm-Gruppe weiß ich, dass die Waschstraße kein Problem ist, solange ich angeschnallt bleibe. Sonst „denkt“ das Auto nämlich ich will aussteigen und haut prophylaktisch die Parkbremse rein.
Aber die Fragen nach der Batterieladung sind durchaus berechtigt. Das Wichtigste, das jeder, der E-Auto fahren will als erstes tun muss, ist Umdenken. Als Fahrer eines ICE (Internal combustion engines) ist man es gewohnt zu fahren bis die Tanknadel am roten Bereich kratzt. Dann tankt man eben und fährt weiter. Wer ein BEV (Battery Electric Vehicle) fährt, gewöhnt sich daran, zu laden, wann immer es geht. Klingt erst einmal stressig – ist aber tatsächlich nur eine Sache der Gewohnheit. Ist der Akku immer halbwegs voll, ist die Reichweitenangst kein Thema. Selbst mein im Winter relativ hungriger Polestar 2 hat dann immer mind. 200 km Reichweite – mehr braucht man spontan nie.
Die Sache mit dem Laden vom E-Auto (ohne Wallbox)
Bleibt aber trotzdem die Frage: Wo laden?
Ich wohne in einem Mehrfamilienhaus mit ladesäulenfreier Tiefgarage. Und so schön es sich der Gesetzgeber gedacht hat als er Ende 2020 skandierte: „Jeder, der eine Wallbox installieren will, hat auch das Recht dazu!“, so realitätsfremd war das auch. Denn zwischen dir und der eigenen Wallbox stehen dann doch noch uneinsichtige Miteigentümer, überlastete Elektriker und ggfs. viele Kosten und Zeit. Wer kein frei stehendes Eigenheim hat, braucht viel Geduld auf dem Weg zur Wallbox.
Daher lade ich momentan meinen Ökostrom an öffentlichen Ladesäulen. Das dauert an „kleinen“ Säulen einige Stunden, an Schnellladesäulen nur 30-60 Minuten. Eine der langsamen Säulen steht glücklicherweise bei mir in der Straße.
Und Langstrecke mit dem Elektroauto?
Lange Fahrten mit meinem Skoda, Audi oder Seat sahen immer gleich aus: Einsteigen, Tanken, mit 160-180 km/h wo’s geht entlangbügeln, hier und da mal eine Biopause für die Familie, weiter. Nach 3 bis 3,5 Stunden war ich bei meiner Family in Ostwestfalen.
Und jetzt? Dran denken, am Vortag auf 100% aufzuladen, fahren, 120-130 km/h (mehr wäre ineffizient), anhalten, 30 min laden, weiterfahren, anhalten, nochmal 15-30 min laden, ankommen. Fahrtzeit 4 bis 4,5 Stunden.
Klingt erstmal bescheiden: Im schlimmsten Fall 50% länger brauchen. Was aber nicht eingerechnet ist: Ich bin entspannter und weniger müde, meine Frau weniger gestresst von der Geschwindigkeit und mein Kind? Happy, weil es zweimal aus dem Auto konnte und Zeit hatte, um mit Papa zu spielen.
Fachgespräche mit Passanten übers E-Auto
Noch nie habe ich so viel über mein Auto geredet wie in den letzten 2 Monaten. Mit Kollegen, mit anderen E-Fahrern an der Ladesäule, mit Forumsmitgliedern, mit wildfremden Passanten, die mich ansprechen. Sogar ein Porschefahrer, der an der Ampel die Scheibe runtermacht: „Hey, über den hab ich auch nachgedacht. Wie ist es so? Der sieht stark aus. Geht ab, oder? Machen wir mal lieber kein Ampelrennen.“
Zudem führt man gern Verkaufsgespräche während man lädt. Erst heute stand ich an der Raststätte für 30 min, hab einen Kaffee in der Sonne getrunken und geladen. Währenddessen durfte ich drei neugierigen Herren über meine Erfahrung mit meinem Auto und generell E-Mobilität berichten. Und obendrein die Community der E-Fahrer ist wirklich cool: Hilfe an der Lädesäule, Tipps in Telegramm-Gruppen – das macht echt Spaß.
Fazit Nr. 1: Lieber kein Elektroauto als Firmenwagen, wenn…
Lass das mit dem E-Auto (noch) – zumindest, wenn einer der folgenden vier Punkte auf dich zutreffen sollte:
- Du kannst nicht zu Hause laden und der Fußweg zur nächsten öffentlichen Säule ist dir zu lang. Denn ganz ehrlich: Du lädst öfter als du tankst und du willst nicht alle drei Tage an einer Schnellladesäule stehen und ein gutes Buch oder eine Folge Serie auf dem Handy konsumieren, nur um die Wartezeit zu überbrücken. Mit den Ladezeiten und Reichweiten der aktuellen BEV-Generation kann ich das noch nicht empfehlen.
- Du fährst gerne schnell und willst das auch auf langen Strecken nicht ändern. Wenn ich konstant 180 – 210 km/h auf der Bahn fahre, reicht mein Akku gerade einmal rund 100-150 km. Autsch.
- Du bist ein zutiefst ungeduldiger Mensch. Wartezeiten beim Laden, lange Laufzeiten bei der Autobestellung, Geduld mit unausgereifter Technik, Diskussionen mit Benziner-Fahrern, die Reichweitenwitze super finden, Nicht-Stromer, die Ladesäulen zuparken … all das kann deinen Spaß an schlechten Tagen verderben.
- Du brauchst einen unendlich ausdauernden Lastesel. Nach heutigem Stand ist mir kein E-Auto bekannt, dass einen großen Wohnanhänger (jenseits der 1800kg) zieht oder so richtig Spaß mit einer Dachbox macht und euch ohne nennenswerte Pausen bis nach Rimini fährt. Warten auf den Tesla Cybertruck sag ich da nur. 😉
Disclaimer: Einige der Punkte (Ladezeit, Anhängelast, Infrastruktur) werden von Modell zu Modell bzw. von Jahr zu Jahr besser. Stay tuned!